AKS-Pfingstexkursion nach Prag und Westböhmen

Karlsbad, Prag, Kuttenberg, Lidice, Königgrätz, Pilsen und Kloster Kladrau, das waren die wichtigsten Stationen der Jahresexkursion des Arbeitskreises Stadtgeschichte nach Tschechien. Wie immer begann die Fahrt am Pfingstmontag und endete am darauf folgenden Samstag. Die 48 Reisenden konnten sechs Tage lang Eindrücke in einem Land sammeln, das die historischen Länder Böhmen, Mähren und Schlesien umfasst und etwa die Größe und Einwohnerzahl von Baden-Württemberg hat. Prag, im 14. Jahrhundert unter dem Luxemburger Karl IV. (1316 – 1378) und unter dem Habsburger Rudolf II. (1552 – 1612) zeitweise Hauptstadt des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“, war das wichtigste Ziel dieser Reise. Bevor im „goldenen Prag“ mit seinen heute 1,2 Millionen Einwohnern Quartier genommen wurde, konnten wir das berühmte Karlsbad (Karlovy Vary) kennen lernen, das seit Jahrhunderten für die Reichen und Berühmten und für die, die sich berühmt wähnten, ein häufig aufgesuchter Kurort war. Goethe war dreizehn Mal hier, für ihn war die Stadt mit ihren heißen Quellen ein Jungbrunnen. Heute hat Karlsbad 280 Hotels und auch für Herrn und Frau Jedermann findet sich etwas.
Über Prag schrieb Thomas Mann: „Ich bin froh wieder einmal hier zu sein, in dieser Stadt, deren architektonischer Zauber fast einzigartig unter allen Städten der Welt ist; ich bin glücklich, wieder einmal von Freundeshand durch ihre offenen und verborgenen Schönheiten geführt zu werden.“ Wir waren froh, die Stadt bei strahlendem Himmel drei Tage lang unter kundiger Führung zu erleben. Wir lernten die alte Kernstadt mit der so genannten Kleinseite unterhalb der Prager Burg, dann diese selbst, die uns unter dem Namen Hradschin geläufig ist, die Altstadt mit der Josefstadt und die Neustadt kennen. Die große Zahl der Kirchen, Klöster und Synagogen, Paläste und Schlösser, Bürgerhäuser, Parks, Straßen und Plätze, ihre vielfältige architektonische und künstlerische Gestaltung, haben uns sehr beeindruckt. Wir verstanden, warum die Stadt ein Magnet für Touristen aus aller Welt ist und mussten so akzeptieren, dass wir immer wieder auf viele Menschen bei den bekanntesten Sehenswürdigkeiten stießen: im St. Veitsdom auf der Prager Burg, auf der Karlsbrücke, die die Kleinseite mit der Altstadt verbindet, und an anderen Orten. In der Stadt haben die Romanik, Gotik, Renaissance, das Barock und der Jugendstil herausragende Baudenkmäler hinterlassen. Es ist nicht möglich, in einem kurzen Text über alles Gesehene in dieser großartigen Stadt zu berichten, zu vielfältig, zu groß sind die Eindrücke. Prag ist in den knapp drei Jahrzehnten nach der „Samtenen Revolution“ des Jahres 1989 wieder das strahlende, „goldene“ Prag geworden. Unsere abendliche Schifffahrt auf der Moldau hat diesen Eindruck noch verstärkt.
Detlev von Liliencron hat 1896 den Zauber der Stadt in folgenden Worten eingefangen:

Du musst es sehen, wenn sich der volle Mond
In seinen Gassen, Gässchen eingefangen,
Wenn im Barock er auf den Kirchen thront,
Wenn seine Lichter den Hradschin umprangen,
Wenn er in Waldsteins großer Halle wohnt.
Viele hundert Sagen singen und Geschichten,
Ganz Praha ist ein Goldnetz von Gedichten.

Mit dem Besuch des im 10. Jahrhundert gegründeten Benediktinerklosters Brevnov betraten wir eine Oase der Stille. Es ist das älteste Männerkloster Böhmens. Die heutige Anlage wurde im 18. Jahrhundert von einem berühmten Barockarchitekten geplant. Wir konnten den Prälatensaal mit einem der besterhaltenen Barock-Deckengemälde Prags bewundern und die romanische Krypta und die Klosterkirche besichtigen. Dort genossen wir ein halbstündiges Orgelkonzert. Danach durften wir im Kloster Strahov einen Blick auf die berühmten Bibliotheksräume werfen. Es besitzt einen Fundus von mehr als 130 000 Bänden samt Handschriften, Erstdrucken und anderen wertvollen Dokumenten. Die gotische Burg Krivoklat, in welcher der spätere Kaiser Karl IV. drei Jahre seiner Jugend verbrachte, beeindruckte durch ihre Lage und besonders durch den dreischiffigen Königssaal, der mit einem prächtigen Kreuzgewölbe geschmückt ist und ihre spätgotische Burgkapelle. Am späten Nachmittag besuchten wir die Gedenkstätte Lidice, 20 km nordwestlich von Prag. Das Dorf mit seinen knapp 500 Einwohnern wurde im Juni 1942 von Angehörigen der SS dem Erdboden gleichgemacht, alle männlichen Einwohner erschossen, Frauen und Kinder in Konzentrationslager verschleppt, fast alle Kinder vergast. Der „Führer“ hatte es so befohlen. Grund für dieses entsetzliche Massaker war das geglückte Attentat im Mai 1942 auf Heydrich, den Reichkommissar für die „Endlösung der Judenfrage“ und stellvertretenden „Reichsprotektor für Böhmen und Mähren“. Die Vertreibung der Deutschen nach 1945 ist die traurige Folge der brutalen, menschenverachtenden deutschen Besatzungspolitik in den Jahren 1939 bis 1945.
Ein ganzer Tag war der Besichtigung von Kuttenberg (Kutná Hora) und von Königgrätz (Hradec Králové) gewidmet. Das Städtchen Kuttenberg gelangte im Mittelalter durch den Silberbergbau zu Reichtum und Ansehen, seine mächtige Barbarakirche überragt die Stadt. Die fünfschiffige Kirche wurde nach dem Vorbild französischer Kathedralen gebaut und Ende des 16. Jahrhunderts vollendet. Die alte Festungsstadt Königgrätz am Oberlauf der Elbe ist im deutschen Gedächtnis fest verankert, denn vor den Toren der Stadt siegte vor 150 Jahren (1866) Preußen über Österreich. Es war ein epochales Ereignis, das die Geschichte Deutschlands und Europas verändert hat. Das historische Stadtzentrum mit der Heilig-Geist-Kirche ist sehenswert.
Auf der Rückfahrt galt der erste Halt Pilsen. In der viertgrößten Stadt Tschechiens machten wir mit einer sachkundigen Führung einen Gang durch das historische Zentrum mit dem riesigen Marktplatz. Er ist von Häusern umrahmt, die alle architektonischen Stilelemente seit dem Mittelalter zeigen. Am bedeutendsten sind die gotische St. Bartholomäus-Kathedrale und das schöne Rathaus, das im 16. Jahrhundert im Renaissancestil gebaut wurde. Am Rande der Altstadt erhebt sich die riesige Große Synagoge, ein Bau aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert im maurisch-romanischen Stil.
Im Kloster Kladrau (Kladruby), kurz vor der Grenze, imponierte besonders die riesige Kirche im Stil der so genannten Barockgotik. Das Benediktinerkloster wurde im frühen 12. Jahrhundert gegründet, es hatte in dieser Zeit intensiven Kontakt zum Kloster Zwiefalten. Während der Hussitenkriege im 15., durch einen Großbrand im 16. Jahrhundert und Zerstörungen im 30-jährigen Krieg erlitt es schwere Schäden. Die imposante Klosteranlage und die Kirche in ihrer heutigen Gestalt wurden im 18. Jahrhundert gebaut und kurz nach der Vollendung. im Jahre 1785 durch Kaiser Josef II. aufgehoben.
Kladrau war die letzte Station dieser an Eindrücken reichen Geschichtsreise in ein Nachbarland, dessen Kultur und Schönheit uns immer wieder überraschte. Es ist ein Land, das mit der deutschen Geschichte in guten und in schlechten Zeiten eng verbunden war, in dem 1348 mit der Karlsuniversität in Prag die erste deutschsprachige Hochschule in Mitteleuropa gegründet wurde und in dem mit Franz Kafka einer der wichtigsten deutschen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts lebte.

 

 

Wer „bilderhungrig“ geworden ist, kann weiter im Fotoalbum schwelgen.