25 Interessierte nahmen teil an dieser von Rolf Scheu – er ist gebürtiger Esslinger – und Dr. Wolfgang Schlotterbeck, Esslingen, sehr gut organisierten Exkursion in die ehemalige Freie Reichsstadt. Sie fasziniert mit ihren Kirchen und Kellern, verwinkelten Gassen, Fachwerkhäusern und dem großartigen Alten Rathaus. Die in fränkischer Zeit gegründete Marktsiedlung wurde 777 zum ersten Mal urkundlich erwähnt. Sie lag an dem wichtigen Verkehrsweg von Speyer nach Augsburg. In staufischer Zeit war Esslingen ein bedeutender Verwaltungsort, Kaiser Friedrich II erhob sie um 1212 zur Stadt und begann den Bau der inneren Stadtmauer, von der noch das Wolfstor und der Schelztorturm erhalten sind. 1802 fiel die Stadt an Württemberg.
Weinbau und Weinhandel wie seine Gewerbe (Tuchmacherei, Weberei und Gerberei) machten Esslingen zur führenden Stadt am oberen Neckar. Ihre Wirtschaftskraft und Bevölkerungszahl veranlassten seit 1230 eine Reihe von Mönchsorden Niederlassungen zu gründen; rund 20 auswärtige Klöster errichteten außerdem Pfleghöfe zur Verwaltung ihrer in der Umgebung gelegenen Besitzungen. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Stadt schnell zu einem der wichtigsten Industriestandorte in Südwestdeutschland.
Der Vormittag stand unter dem Motto „Krypta, Keller, Katakomben“ und begann so folgerichtig mit dem Besuch des unterirdischen Wasserspeichers auf der Burg.
Dieser wurde 1876 gebaut. Er versorgte bis Anfang der 1990er Jahre mit seinen 800.000 m³ Fassungsvermögen große Teile der Stadt mit Trinkwasser. Anschließend spazierte die Gruppe am kühlen Vormittag im Sonnenschein durch die Weinberge unterhalb der Burg zur Stadtkirche St. Dionys. Dieser gotische Bau aus dem 13. Jahrhundert prägt mit seinen Doppeltürmen das Stadtbild. Hier interessierte uns vor allem das Ausgrabungsmuseum unter der Kirche mit den Fundamenten der ältesten Vorgängerbauten, die bis ins 8. Jahrhundert zurückreichen. In den „Katakomben“ der Kirche erinnern noch viele Gräber und Gebeine an die frühmittelalterlichen Grablegungen. Im benachbarten Beinhaus wurden die Gebeine später noch viele Jahrhunderte aufbewahrt. Esslingen ist auch eine Stadt der vielen (Wein)-Keller, das nächste Ziel war daher ein großer Keller in der Altstadt.
Im Anschluss genossen die Teilnehmer im Sonnenschein das halbstündige Glockenspiel auf dem Alten Rathaus. Sie hörten etwas Besonderes, denn die unterschiedlichen Weisen wurden von Organist Hirschmann gespielt und nicht wie sonst üblich über Lochkarten oder Computer gesteuert. Der imposante Bau des Alten Rathauses mit seinen zwei Gesichtern wurde um 1420 als Kauf- und Steuerhaus errichtet. Er gilt mit seinem großartigen Fachwerk-Südgiebel als Hauptwerk des alemannischenFachwerkbaus. Von 1586 bis 1589 baute Heinrich Schickhardt an der Nordseite eine neue Giebelfront im Renaissancestil. Sie wird seit 1592 durch eine astronomische Uhr und seit 1926 durch das Glockenspiel mit 24 Glocken geschmückt. Die Glockenspielführung durch Organist Hirschmann und die originelle Rathausführung mit Frau Gassmann beeindruckten die Gruppe.
Am Nachmittag führte Dr. Schlotterbeck durch die Innenstadt; ein besonderes Ziel war dabei die Evangelische Frauenkirche, eine spätgotische Hallenkirche mit sechs Jochen aus dem 14. Jahrhundert. Die beiden Portale an der Südseite sind reich geschmückt: das rechte zeigt im Tympanon ein Marienleben in drei Etagen, das linke das Jüngste Gericht. Der im 15. Jahrhundert vollendete Turm hat einen durchbrochenen Helm nach dem Beispiel des Freiburger Münsters. Er ist 72 m hoch. Im Chor leuchten drei Farbfenster aus dem 14. Jahrhundert, das nördliche ist ein Marienfenster, das Mittelfenster zeigt einen Christus-Zyklus und das südliche ist ein Märtyrerfenster. Nach dem 2. Weltkrieg gestaltete Hans Gottfried von Stockhausen zwei Glasfenster im Kirchenschiff: ein Frauenfenster und ein Passionsfenster. Der Bummel durch die Altstadt mit ihren 800 Baudenkmalen von nationalem Rang, die im letzten Krieg zum Glück der Zerstörung entgingen, war eine Zeitreise durch das Mittelalter und die Frühe Neuzeit. Esslingen hat heute 93.000 Einwohner; seine kompakte Altstadt mit den drei noch vorhandenen Stadttoren und Resten der Stadtmauer erinnert an die nach heutigen Maßstäben kleine, aber wohlhabende und stolze Freie Reichsstadt. Ein Dankeschön an die Organisatoren!