Die Metzinger Martinskirche wurde um 1500 als spätgotische Hallenkirche erbaut.
1613 wurde die Fertigstellung des 57 m hohen Turms mit einem Wappenfries über dem Turmportal gefeiert. Seit 2003 hängt eine farbige Kopie über dem Portal, das Original ist im Inneren der Kirche angebracht worden.
Rolf Bidlingmaier schreibt in dem Buch „Die Martinskirche in Metzingen – ein Kirchenbau der Spätgotik im Wandel der Jahrhunderte“ auf den Seiten S. 143 – 146 über den Kirchturm:
Nach 1600 waren die Metzinger durch den florierenden Weinbau zu Wohlstand gekommen, so dass an die Vollendung des Kirchturms gedacht werden konnte.1 Im Jahr 1608 erfolgte zunächst die Erneuerung des Glockenstuhls im Turm. Im Frühjahr 1609 hatte sich im Armenkasten durch wöchentliche Almosen unter der Bürgerschaft ein stattlicher Geldbetrag angesammelt, sodass Werkmeister Hans Braun († 1611) nach Metzingen geholt wurde und einen Bauriss entwarf sowie einen Kostenvoranschlag über die Vollendung des Kirchturms aufstellte. Dieser sah anstelle des „schlechten nidern Tächlins“ um 1450 Gulden ein Hauptgesims, einen steinernen Umgang mir gedrehten steinernen Säulchen, ein zurückgesetztes Fachwerkgeschoss und einen Turmhelm in Form einer welschen Haube mit einer Laterne vor. Pfarrer, Amtmann und Gericht zu Metzingen reichten den Bauüberschlag bei den württembergischen Zentralbehörden in Stuttgart ein und baten um eine Baugenehmigung. Dabei untermauerten sie ihr Gesuch mit dem Hinweis, dass das Notdach auf dem Kirchturm baufällig wäre und ohnehin repariert werden müsse. Außerdem sei durch den letzten Weinherbst soviel Geld vorhanden, dass sie keine Schulden aufzunehmen bräuchten. Die Vögte in Urach unterstützten das Ansinnen mit dem Hinweis, dass die Metzinger die Kirche „mit einem ansehnlichen Tachwerckh zieren wöllten, welches dem ganzen Flecken ein Ansehen gebe“ und bereit wären, das eichene Bauholz aus den Gemeindewaldungen abzugeben. Ende Juli 1609 genehmigte der Oberrat das Bauvorhaben mit dem Hinweis, allen Überfluss am Bau zu vermeiden.2
Die Ausführung der neuen Kirchturmspitze verzögerte sich jedoch, sodass die Pläne von Werkmeister Hans Braun bei dessen Tod im Jahr 1611 noch nicht in die Tat umgesetzt worden waren. Die Metzinger wandten sich daraufhin an den württembergischen Baumeister Heinrich Schickhardt (1558 – 1635), der einen neuen Entwurf und Kostenvoranschlag vorlegte.3 Im Jahr 1613 entstand nach seinen Plänen die Turmspitze mit dem zurückgesetzten Fachwerkgeschoss, dem spitzigen Helm und der Galerie mit steinerner Maßwerkbrüstung und vier Eckobelisken in dekorativen Renaissanceformen. Die Arbeiten begannen am Gründonnerstag 1613 mit dem Legen des ersten Steins des Umgangs. Bereits am 29. Juni 1613 konnten der Knopf und der Wetterhahn auf die Turmspitze gesetzt werden. Die neue Turmspitze kostete 2000 Gulden. Heinrich Schickhardt vermerkte dies in seinem 1632 angelegten Werkverzeichnis, das zugleich die einzige schriftliche Quelle ist, die überliefert, dass er der Schöpfer der Metzinger Turmspitze ist.4
Zur Erinnerung an die Vollendung des Kirchturms ließ die Metzinger Ehrbarkeit über dem gotischen Eingangsportal des Turms ihre Wappen anbringen. Die Wappen von Pfarrer Jakob Andreae, Amtmann Christoph Dinkelacker, dem württembergischen Faktor Claus Jud und den beiden Heiligenpflegern Michael Alber und Jakob Maier werden umrahmt von den Wappen der Gerichtsverwandten Michael Maier, Jakob Vögtle, Michael Veit, Ulrich Kühfuß, Wolf Kaltmaier, Cyriakus Heinle, Michael Kopf, Marx Oswald, Georg Meyle, Sebastian Mesner und dem Wappen des Gerichtsschreibers Matthäus Mayer.5
Anmerkungen:
1Zur Vollendung der Kirchturmspitze 1613 vgl. Bidlingmaier, Rolf: Metzingen, in: Lorenz; Setzler 1999 (wie Anm. 3), S. 216 – 219
2HstA Stuttgart, A 284/99, Bü 96
3Zu Heinrich Schickhardt vgl. Kluckert, Ehrenfried: Heinrich Schickhardt. Architekt und Ingenieur. Eine Monographie (Herrenberger Historische Schriften 4), Herrenberg 1992; Heinrich Schickhardt. Baumeister der Renaissance. Leben und Wirken des Architekten, Ingenieurs und Städteplaners, hrsg. von Sönke Lorenz und Wilfried Setzler, Leinfelden-Echterdingen 1999.
4StA Metzingen, K 1, A 29; Kluckert 1992 (Anm. 3), S. 201
5Bidlingmaier, Rolf: Der Wappenfries an der Metzinger Martinskirche. Ein Zeichen des Bürgerstolzes aus dem 17. Jahrhundert, in SPUREN. Beiträge zur Metzinger Stadtgeschichte, April 2004, S. 44 – 46.