Reden zur Ausstellung „Voices and Choices“ im Metzinger Rathaus (aktualisiert)

Als Nachtrag zur Ausstellung über den Ersten Weltkrieg, die vom 7. bis 15. November im Metzinger Rathaus stattgefunden hat, sind  im Folgenden die Eröffnungsreden aufgeführt. Die Rede von Ian Emmerson ist jetzt auch enthalten.

Rolf Bidlingmaier, Stadtarchivar

Einführung bei der Eröffnung der Ausstellung Kriegserfahrungen. Der Erste Weltkrieg in Hexham, Noyon und Metzingen am 7. November 2016

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Erste Weltkrieg stellt in der jüngeren europäischen Geschichte eine tiefe Zäsur dar. Er steht am Ende einer fast 50 Jahre währenden Friedenszeit. Vor allem die Jahre nach 1900 waren eine Zeit prosperierenden Wachstums, was heute noch an den prächtigen Bauten aus dieser Zeit ablesbar ist. Diese Entwicklung wurde im August 1914 mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs jäh unterbrochen – und dies für lange Zeit. Der britische Außenminister Edward Grey sollte Recht behalten mit seinem Bemerkung am Abend des 3. August 1914: „In ganz Europa gehen die Lichter aus, und wir werden sie in unserem Leben nie wieder leuchten sehen.“
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, nach 1945, kam es in Europa zu einer vergleich­baren Friedenszeit mit prosperierender wirtschaftlicher Entwicklung, die in unserem Land auch als Wirtschaftswunder bezeichnet wird.

Unter diesem Blickwinkel leitet der mehr als vier Jahre währende Erste Weltkrieg, der von manchen Historikern als „die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet wird, eine mehr als 30 Jahre dauernde Phase politischer Instabilität in Europa ein. Der am Ende des Ersten Weltkriegs stehende Versailler Vertrag legte den Grundstein für den nächsten Krieg. Adolf Hitler und die Nationalsozialisten hätten ohne den Ersten Weltkrieg wohl keine Chance zur Etablierung einer Diktatur in Deutschland gehabt. Somit gibt es durchaus Verbindungslinien zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg.

Es überrascht noch heute, mit welcher Leichtfertigkeit die führenden Politiker und Militärs Europa im August 1914 in einen Krieg stürzten. Eigentlich wollte keiner, abgesehen von einigen Militärs, ernsthaft einen Weltkrieg, andererseits engagierte sich jedoch auch keiner ernsthaft für den Frieden. Man ließ die Dinge treiben. Christopher Clark ist in seiner Einschätzung durchaus Recht zu geben, dass hier Schlafwandler unterwegs waren. In Europa gab es damals große Interessengegensätze. Der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn sah durch den Natio­nalismus der slawischen Völker seine Existenz in Frage gestellt. Russland unterstützte die panslawische Bewegung in Ost- und Südosteuropa. Deutschland fühlte sich durch das Militär­bündnis Frankreich-England-Russland eingekreist. Frankreich arbeitete immer noch auf die Revanche für die Niederlage von Siebziger Krieg hin und die damalige Weltmacht England nahm Deutschland vor allem als wirtschaftliche Konkurrenz wahr. Selbst nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgerpaares Ende Juni 1914 in Sarajewo durch einen serbischen Nationalisten lief keineswegs alles sofort auf einen Krieg zu. Doch Tag um Tag verschärfte sich die Krise. Und mit der Kriegserklärung Österreichs-Ungarns an Serbien und der unbedingten Bündnistreue Deutschlands zu Österreich-Ungarn trugen diese beiden Staaten in erheblichem Maße zum Kriegsausbruch bei. Aber auch Russland, Frankreich und England sorgten aus ihren Interessen heraus für eine Verschärfung der Krise, die schließlich zum Krieg führte. Insofern waren alle fünf Staaten am Ausbruch des Ersten Weltkriegs beteiligt.

Alle erhofften sich durch den Krieg Vorteile – und keiner wusste, was ein Krieg mit modernen Waffen tatsächlich bedeutete. Am wenigsten die Männer, für die sich mit dem Kriegsausbruch Anfang August 1914 das Leben von einem auf den anderen Tag total veränderte. Sehr schön illustrieren dies die Postkarten, die mein Großvater meiner Großmutter im Juli und August 1914 schrieb, aus denen ich hier ein paar Sätze zitieren möchte. Sie stehen zugleich für all jene, die in Hexham, Noyon und Metzingen mit der Generalmobilmachung zu den Waffen gerufen wurden. Am 27. Juli 1914, das war ein Sonntag, besuchte mein Großvater als Turner zusammen mit einigen Kameraden das Verbandsturnfest des Schwäbischen Turn- und Spielverbandes in Kornwestheim, wie eine Postkarte an meine Großmutter belegt. Elf Tage später, am 7. August 1914, befand er sich bereits auf dem Weg an die Front. Aus Stuttgart schrieb er: „Möchte Dir mitteilen, daß ich heute Freitag Nachmittag abgereist bin in Feindesland, wohin weiß ich bis jetzt noch nicht. Möchte noch einmal ade zu Dir sagen.“ Die Fahrt mit den Kameraden im Zug ging über Mühlacker, Mannheim, Saarbrücken nach Thionville in Lothringen. Am Abend des 7. August schrieb er aus Mühlacker: „Wenn es nur so bliebe, denn da ist es lustig, aber es wird anders werden.“ Seine Vorahnung trog nicht. Ja, es wurde anders, und zwar so, wie es sich zu diesem Zeitpunkt noch keiner der ausmarschierenden Soldaten vorstellen konnte. Auf dem Vormarsch kam es ab dem 22. August zu teilweise erbitterten Gefechten mit den Franzosen. Zahlreiche Kameraden fielen. Aufgrund des Vormarsches gab es in den ersten beiden Kriegsmonaten die höchsten Tagesverluste an Soldaten im gesamten Ersten Weltkrieg – mehr als in Verdun oder an der Somme. Vor allem durch den erstmaligen Einsatz von Maschinengewehren im Krieg wurden allein am 22. August bei Gefechten 27 000 franzö­sische Solda­ten getötet. Innerhalb von anderthalb Monaten, bis Ende September 1914, verloren die Deutschen 373 000 Mann und die Franzosen 329 000 Mann. Hinzu kamen die Verluste der Briten, die bis November 1914 89 000 Mann betrugen. Das sind Zahlen, die außerhalb unseres Vorstellungsvermögens liegen. Und es waren nur die Verluste an der Westfront. Es gab auch noch eine  Ostfront, die sich von Ostpreußen über Galizien und die Karpaten bis nach Serbien hinzog. Nachdem keine der beiden Seiten ihr Ziel erreichen konnte, kam der deutsche Vormarsch im Westen im Herbst 1914 zum Stillstand. Es folgten ein mörderischer Stellungskrieg und Materialschlachten, für die Schlacht um Verdun und die Schlacht an der Somme stehen, die vor 100 Jahren, im Jahr 1916, stattfanden. Materialmangel und der Kriegseintritt der USA führten Ende 1918 schließlich zu einer Entscheidung des Kriegs zugunsten der Westmächte.

Die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf Hexham, Noyon und Metzingen waren einerseits ähnlich und andererseits sehr unterschiedlich. Ähnlich in dem Sinne, dass in allen drei Städten junge Männer als Soldaten eingezogen und den schrecklichen Erlebnissen an der Front ausgesetzt wurden. Viele kehrten nicht mehr zurück. Zuhause bangten die Angehörigen um sie. Lediglich in Hexham gab bereits die Möglichkeit, den Kriegsdienst zu verweigern. Das Schicksal, die Erlebnisse der einzelnen Soldaten stehen im Mittelpunkt der heute zu eröffnenden Ausstellung.
Es sind bedrückende Zeugnisse und sie handeln häufig davon, wie der Gegner umgebracht wurde und die eigenen Kameraden ums Leben kamen. Sterben war an der Tagesordnung. Viele Soldaten konnten ihre Erlebnisse psychisch nur schwer verarbeiten und kämpften jeden Tag um das Überleben. Dabei machte es keinen Unterschied, ob dies Deutsche, Franzosen, Engländer, Österreicher oder Russen waren.

Kommen wir auf die Unterschiede zu sprechen. Dieser liegt vor allem darin, das Noyon im Gegensatz zu Hexham und Metzingen Frontstadt war und während des Krieges zu großen Teilen zerstört wurde. Metzingen und Hexham lagen hingegen fernab der Front. Metzingen war Lazarettstadt und hier machten sich im Lauf des Krieges vor allem Versorgungsschwierigkeiten bei Nahrungsmitteln, Brennstoffen und Gütern des täglichen Bedarfs bemerkbar.

Der Erste Weltkrieg machte deutlich, dass der Krieg, anders als in früheren Zeiten, als Carl von Clausewitz den Krieg als Fortsetzung der Politik unter Einsatz anderer Mittel bezeichnet hatte, aufgrund der fortgeschrittenen technischen Entwicklung zu einem untauglichen Mittel geworden war, da die Verluste an Menschen und Material durch Massenvernichtungsmittel in keinem Verhältnis mehr zu Gewinnen irgendwelcher Art standen. Anstatt der erhofften Vorteile produzierte der Erste Weltkrieg nur Verlierer, kostete 9,5 Millionen Menschen das Leben, verursachte entlang der Fronlinien enorme Zerstörungen und brachte entsetzliches Leid über zahllose Familien. Von den vermeintlichen Siegern in Versailles wurde diese Botschaft noch nicht verstanden. Es musste erst noch der Zweite Weltkrieg über Europa hinweggehen, bis die Verantwortlichen dies erkannten und Schritt für Schritt ein gemeinsames Europa aufbauten, das bei uns in den vergangenen 70 Jahren für Frieden gesorgt hat. Des halb muss die Devise lauten: Nie wieder Krieg. Möge die Ausstellung über den Ersten Weltkrieg hierzu einen Beitrag leisten.

Ian Emmerson

7th of November, 2016
First of all I would very much like to thank the mayor for inviting me to the
opening of Voices & Choices Exhibition here in Metzingen, and allowing me to
say a few words about it.

An erster Stelle möchte ich mich beim Bürgermeister der Stadt
Metzingen für die Einladung zur Eröffnung der Ausstellung Voices and
Choices hier in Metzingen bedanken und für die Möglichkeit auch noch
einige Worte zur Ausstellung selbst zu sagen.

My name is Ian Emmerson and I’m one of the six Quakers in Hexham who
brought this project to fruition. It has already run for two weeks at the beginning
of this year in your twin town of Hexham, as well as for a week in the cathedral
in Newcastle, and will also be shown in January 2017 in Noyon.

Ich heiße Ian Emmerson und bin einer der sechs Quäker in Hexham, die
diese Ausstellung auf den Weg gebracht haben. Sie war Anfang des
Jahres schon zwei Wochen lang in Ihrer Partnerstadt Hexham zu sehen
und eine Woche lang in der Kathedrale von Newcastle; im Januar 2017
wird sie in Noyon zu sehen sein.

I would now like to say something about how our small group of Quakers came
to prepare this exhibition. First of all a note about Quakers:

Nun möchte ich kurz darüber berichten, was unseren kleinen Kreis von
Quäkern zu dieser Ausstellung motivierte. Zunächst jedoch ein paar
Worte über die Quäker selbst.

Quakerism came into being around 1652 in the turbulent times after the English
Civil War. Their founder George Fox (born 1621 into a Christian family) was
deeply unsatisfied with the corruption in the church at that time and believed
that people could know God as a personal experience better without priests.

Die Quäker-Bewegung geht in etwa auf das Jahr 1652 zurück – eine
sehr bewegte Zeit nach dem Ende des Englischen Bürgerkriegs (1642-
1651). Ihr Gründer war George Fox, der im Jahr 1621 als Sohn einer
christlichen Familie geboren wurde und der mit den Missständen in der
Kirche damals höchst unzufrieden war; er glaubte, dass die Menschen
Gott in Form einer persönlichen Erfahrung ohne Priester besser
erkennen können.

He travelled the land, particularly in the North of England and got a great
following. He believed that belief in God and warfare were completely
incompatible. Many Quakers today still have a strong testimony to pacifism.

George Fox reiste durchs Land, besonders durch das nördliche England,
und hatte bald viele Anhänger. Es war seine Überzeugung, dass der
Glaube an Gott und Kriegshandlungen ganz und gar nicht zusammen
passen. Viele Quäker verpflichten sich auch heute noch dezidiert dem
Pazifismus.

The Quakers were sorely persecuted until the Act of Toleration in 1689. Indeed
it was said that at one point in their early history, the children carried on the
meetings, as most of the parents were in prison!

Die Quäker waren bis zur Toleranzakte von 1689 heftigen Verfolgungen
ausgesetzt. Man hat gesagt, dass es in der Frühzeit der Bewegung eine
Zeit gab, in der die Kinder für die Versammlungen zuständig waren, da
die meisten Eltern im Kerker waren.

Even much later, Quakers were not allowed to go to university or hold
professional posts, but were very successful in trade at the time of the industrial
revolution, developing the railways and many of the banks in England from the
late 18th century and early 19th Century. At around this time, Quakers also made
substantial contributions to the abolition of slavery, the proper care of mental
health patients, and prison reform.

Noch viele Jahre später konnten sich Quäker nicht an der Universität
immatrikulieren oder wichtige Ämter bekleiden. Jedoch waren sie zur
Zeit der industriellen Revolution sehr erfolgreiche Kaufleute; sie trieben
den Bau der Eisenbahn voran und gründeten im Zeitraum des 18. und
frühen 19. Jahrhunderts viele der englischen Banken. In der gleichen
Zeit setzten sich die Quäker intensiv für die Abschaffung der Sklaverei
ein, wie auch für die Pflege von psychisch Kranken und die Reform des
Gefängniswesens ein.

There are only about 17,000 Quakers in the UK and the main tenets of Quaker
ethos, based on Christian ideals, are peace, a commitment to truth, equality of
all people regardless of race, religion or gender; also, living a simple life
without excess and finding ‚what love requires of us‘.

Im Vereinigten Königreich gibt es lediglich etwa 17.000 Quäker; die
Hauptgesichtspunkte des Ethos der Quäker, das auf den Idealen des
Christentums basiert, sind der Friede, die Verpflichtung zur Wahrheit, die
Gleichheit aller Menschen ungeachtet ihrer Rasse, ihrer Religion oder
ihres Geschlechts. Daneben sind noch eine einfache Lebensweise ohne
Ausschweifungen zu nennen und die Suche nach dem, was das Gebot
der Liebe von uns verlangt.

No more than 30 people attend our Quaker meeting in Hexham each Sunday
morning. The hour’s worship may be entirely in silence, although anyone may
stand and speak if moved by the Spirit to do so.

Nicht mehr als 30 Leute kommen an jedem Sonntagmorgen zu den
Versammlungen der Quäker in Hexham. Der Gottesdienst von einer
Stunde Dauer kann in aller Stille erfolgen, wobei jedoch sich jeder der
Anwesenden erheben und sprechen kann, wenn der Heilige Geist ihn
dazu bewegt hat.

During 2013, out of this silence and through listening to each other, came a
concern and desire to prepare this exhibition. At that time in the UK, many
events commemorating the 100 year anniversary of WW1 had been planned.
These invariably were to be from an historical and military standpoint, which
generally assume that the resolution of international disputes through force is
inevitable.

Während des Jahres 2013 sind aus dieser Stille und dem einander
Zuhören das Anliegen und der Wunsch erwachsen, diese Ausstellung
vorzubereiten. Damals waren im Vereinigten Königreich viele
Veranstaltungen zum Gedenken des 100. Jahrestags des Ersten
Weltkriegs geplant. Die jeweilige Perspektive war ausnahmslos eine
militärische oder historische und beiden liegt der Gedanke zugrunde,
dass die Lösung internationaler Auseinandersetzungen nur mit Gewalt
möglich ist.

Our Quaker concern wished to create an exhibition in another vein entirely: not
in any way as a military history, but rather to let the stories from the three towns
give a realistic picture of how the war was experienced by people living there;
thereby to bring the events to life. We further sought to explore the choices
faced by those individuals in their different local contexts.

Das Anliegen von uns Quäkern war es, eine Ausstellung zu schaffen, die
von einem ganz anderen Ansatz ausgeht: keinesfalls aus
militärhistorischer Sicht; vielmehr sollte es darum gehen, dass aus den
Berichten der drei Städte ein realistisches Bild des Ersten Weltkriegs aus
der Sicht ihrer Bürger entsteht und so die Ereignisse lebendig werden.
Uns ging es auch darum, den Optionen und Entscheidungen, vor denen
diese Individuen in ihrem jeweiligen örtlichen Kontext standen,
nachzugehen.

It transpired that many had made brave choices, even though some had more
limited options than others. For instance in Britain there had been about 16,000
conscientious objectors, many of whom had been Quakers or from other faith
groups. This was not an option that was really available in Metzingen or Noyon.
Hence the name ‚Voices & Choices‘, which also makes visitors to the exhibition
think about how they might respond and choose if a similar situation arose for
them.

Es stellte sich dabei heraus, dass viele mutige Entscheidungen getroffen
hatten, wenngleich die Optionen unterschiedlich verteilt waren. So gab
es in Britannien etwa 16 000 Kriegsdienstverweigerer aus
Gewissensgründen, von denen viele den Quäkern oder anderen
Religionsgemeinschaften angehörten. Dies war eine Option, die es in
Metzingen oder Noyon nicht gab. Aus diesen Überlegungen erwuchs
auch der Name der Ausstellung ‚Voices and Choices – Stimmen und
Optionen‘ und dieser Name soll Besucher der Ausstellung dazu anregen,
sich zu überlegen, wie sie sich entscheiden und in einer ähnlichen
Situation handeln würden.

At the end of their visit to the exhibition in Hexham, both adults and children,
were encouraged to write down their thoughts on notes which were pinned on a
board. A myriad of impressions ensued.

Am Ende des Besuchs der Ausstellung in Hexham wurden sowohl
Erwachsene als auch Jugendliche dazu ermuntert, ihre Gedanken auf
Notizzetteln festzuhalten, die an einer Tafel zum Aushang kamen. Dies
führte zu einer Vielzahl von Eindrücken.

I hope that visitors here will also be interested in the details and the stories, but
also challenged by the deeper issues raised.

Ich hoffe, dass Besucher der Ausstellung in Metzingen sich auch für die
Einzelheiten und Berichte interessieren, jedoch auch von der tieferen
Bedeutung der Exponate zum Nachdenken herausgefordert werden.

For me personally, WW1 was a tragedy but even worse was the complete failure
of the peace (Versailles), that led all too soon to the next war. However, the
generosity of spirit after 1945 (Marshall Plan) produced a complete change of
fortune for Europe which we have all benefited from and enjoyed in many ways
including our many wonderful friendships through our town twinning
connections.

Für mich selbst war der Erste Weltkrieg eine Tragödie – aber noch
schlimmer war der totale Misserfolg des Friedens (Versailler Vertrag),
der nur allzu schnell zum nächsten Krieg führte. Jedoch war es die
Großzügigkeit nach 1945 in Form des Marshallplans, die in Europa zu
einem Umschwung führte, von dem wir alle profitiert und an dem wir uns
alle auf vielfältige Weise erfreut haben und unsere wundervollen
Freundschaften auf der Basis der städtepartnerschaftlichen
Beziehungen sind ein Teil davon.

Brexit and a deplorable attitude towards ‚Others‘, in the UK and other countries,
sadly seems to be a step in the wrong direction at the present time, although
Germany has given us all a better example. Quaker ideals and the view of
history occasioned by this exhibition, confirm to me that, on every level, it is
only through that generosity of spirit and love of ‚the other‘ that life moves
forward.

Der Brexit und eine beklagenswerte Haltung gegenüber Anderen, im
Vereinigten Königreich wie auch in anderen Ländern, stellt bedauerlicher
Weise in unseren Tagen einen Schritt in die falsche Richtung dar, selbst
wenn Deutschland uns allen ein besseres Beispiel gegeben hat. Die
Ideale der Quäker und der Blick auf die Geschichte, wie ihn diese
Ausstellung ermöglicht, bestätigen für mich, in jeder Hinsicht, dass
lediglich Großzügigkeit und Nächstenliebe unser Leben nach vorne
bringen können.

Finally, I can state categorically, that whatever the future holds in a turbulent
world, all whom I represent today know that our friendship and understanding
with our German and French colleagues are crucially important aspects of our
lives, and always will be.

Zum Schluss kann ich nur kategorisch feststellen, dass, was immer die
Zukunft in einer turbulenten Welt für uns bereit halten mag, alle, für die
ich hier stehe, wissen, dass unsere Freundschaft und unser Verständnis
für unsere deutschen und französischen Mitmenschen von
grundlegender Bedeutung für unser Leben sind – und dies immer sein
werden.

Dr. Fritz Kemmler

Voices and Choices in Metzingen (7.11.2016)
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Lohde, dear Ian, meine Damen und Herren!
Versetzen wir uns zurück in die späten Abendstunden des 7. November 1916 und stellen wir uns vor, wir wären in der Redaktion, in der die Berichte von den Ereignissen an den
einzelnen Frontabschnitten für den Heeresbericht redigiert werden. Für die für diesen Bericht damals Verantwortlichen wahrlich keine einfache Entscheidung!
Wenn wir uns mit der Westfront, dem Thema der Ausstellung, beschäftigen, dann vermeldet die Stimme des Deutschen Heeresberichtes unter anderem die folgenden Ereignisse:
Großes Hauptquartier, 7. November.
Westlicher Kriegsschauplatz:
Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht: Trotz der deutlich erkennbaren Absicht der Engländer, ihre Angriffe gestern fortzusetzen, gelang es ihnen doch nur östlich von Eaucourt l’Abbaye, die Infanterie zum Verlassen der Gräben zu bringen; sie wurden sofort zur Umkehr gezwungen. Die englischen Verluste an Toten vom 5. November stellen sich besonders bei den australischen Divisionen als sehr bedeutend heraus. Auch die französischen Angriffe über das mit Gefallenen bedeckte Gelände sind nur in beschränktem Umfange zur Wiederholung gekommen. Sie erfolgten zwischen Lesboeufs und Rancourt abends und nachts und brachen meist schon in unserem Feuer zusammen. Ein deutsches Fliegergeschwader setzte durch nächtlichen Bombenangriff das große Munitionslager von Cerisy (an der Somme südwestlich von Bray) in Brand; die langandauernden, mächtigen Detonationen waren bis nach St. Quentin fühlbar.

Ganz anders die Stimme des britischen Heeresberichtes für den 7. November 1916:

Western Front
British progress east of Butte de Warlencourt and repulse German night attack west of Beaumont Hamel (north of the Ancre). French capture Ablaincourt and Pressoir, and advance to outskirts of Gomiecourt. (firstworldwar.com)

Keine dieser beiden Stimmen geht mit Bedauern auf Tod und Zerstörung ein, auf Verwundung und Leiden. Die Stimme des Deutschen Heeresberichtes signalisiert eher eine gewisse Begeisterung über die angerichteten Zerstörungen und sog. ,militärischen Erfolge‘.
Wie anders im Vergleich zu diesen offiziellen Stimmen doch das Zeugnis jener privaten Stimmen, das uns diese Ausstellung vermittelt. Diese Stimmen sprechen das vielfältige Leiden und die harten Entbehrungen in aller Deutlichkeit an, reden von Toten und Verwundeten, von Hunger und Durst, von Furcht und Schrecken – aber auch von Wehrdienstverweigerung und Sanitätsdienst. Zieht man noch zwei weitere Stimmen heran, dann fügen sich diese in das, was die Ausstellung vermittelt, sehr gut ein. Es sind dies die Stimmen zweier englischer Dichter aus dem Ersten Weltkrieg – Siegfried Sassoon (1886–1967) und Wilfred Owen (1893–1918). Auch in ihren Gedichten wird das Leiden und Sterben an der Front deutlich, werden die Schrecken des Stellungskrieges und das furchtbare Granatfeuer eindringlich und einprägsam dargestellt.
Siegfried Sassoon und Wilfred Owen prüften am Beginn des Ersten Weltkriegs ihre Optionen. Sie trafen eine wichtige Entscheidung und meldeten sich freiwillig zum Kriegsdienst; sie erlebten die Schrecken des modernen Stellungskrieges, des Granatfeuers und der Gasangriffe. Siegfried Sassoon überlebte den Ersten Weltkrieg, Wilfred Owen starb eine Woche vor dem Waffenstillstand bei einem Gefecht am Canal de la Sambre à l’Oise. Die Erfahrungen an der Front führten bei beiden dazu, dass die anfängliche Begeisterung für den Krieg einem Entsetzen über dessen Schrecken und Sinnlosigkeit wich – ein wichtiger Grund für beide, nochmals über ihre Optionen nachzudenken.

Die beiden Dichter lernten sich im Craiglockhart War Hospital bei Edinburgh kennen, wohin sie zur Behandlung ihres Front-Traumas geschickt worden waren. Sie schlossen Freundschaft und überlegten, welche Optionen ihnen offen standen und wie sie ihre Stimme gegen den Krieg erheben könnten. Aus ihren ,Stimmen gegen den Krieg‘ wird ihre Ablehnung des Krieges auf der Basis der an der Front gemachten schrecklichen Erfahrungen überaus deutlich. Ihre Gedichte, darunter auch einige Sonette, sind ein eindrucksvolles literarisches Zeugnis über den Ersten Weltkrieg.
Für meine Begleitworte zur Ausstellung habe ich zwei Sonette gewählt, das erste von Siegfried Sassoon, das zweite von Wilfred Owen.
Das Sonett von Sassoon, das den Titel ,Glory of Women‘ trägt, weist die Besonderheit auf, dass in ihm beide Seiten – Engländer und Deutsche – erwähnt werden. Das Sonett verweist weniger auf die Schrecken des Krieges als auf die Hoffnungen und Erwartungen der zu Hause gebliebenen Mütter und Frauen, die ihren Söhnen und Männern Ruhm und Ehre wünschen und die Front in der Hoffnung auf den Sieg mit Granaten versorgen.
Die Botschaft des Sonetts entlarvt eben diese Hoffnungen als falsch, als in höchstem Maße trügerisch, da in ihnen die Realität des Krieges ausgeblendet wird.

‘Glory of Women’ – A Sonnet by Siegfried Sassoon

You love us when we’re heroes, home on leave,
Or wounded in a mentionable place.
You worship decorations; you believe
That chivalry redeems the war’s disgrace.
You make us shells. You listen with delight,
By tales of dirt and danger fondly thrilled.
You crown our distant ardours while we fight,
And mourn our laurelled memories when we’re killed.
You can’t believe that British troops “retire”
When hell’s last horror breaks them, and they run,
Trampling the terrible corpses – blind with blood.
O German mother dreaming by the fire,
While you are knitting socks to send your son
His face is trodden deeper in the mud.

Wilfred Owens Sonett trägt den Titel ,Anthem for Doomed Youth‘ und beklagt das sinnlose Dahinschlachten junger Soldaten auf den Feldern des Ersten Weltkriegs. Die Opfer dieses Krieges, so Owen, werden sogar noch um die letzte Würde, die Würde des Todes gebracht, die abseits der Front durch die Begräbniszeremonie zum Ausdruck kommt und von dieser garantiert wird. All das ist auf dem Schlachtfeld, das eher ein Schlachthaus ist, nicht möglich. Der Ton des Sonetts ist elegisch, jedoch auch zornig, und fordert eindringlich zum Nachdenken über die grausame Realität des Krieges auf.

‘Anthem for Doomed Youth’ – A Sonnet by Wilfred Owen

What passing-bells for these who die as cattle?
– Only the monstruous anger of the guns.
Only the stuttering rifles’ rapid rattle
Can patter out their hasty orisons.
No mockeries now for them; no prayers nor bells;
Nor any voice of mourning save the choirs, –
The shrill, demented choirs of wailing shells;
And bugles calling for them from sad shires.
What candles may be held to speed them all?
Not in the hands of boys, but in their eyes
Shall shine the holy glimmers of good-byes.
The pallor of girls’ brows shall be their pall;
Their flowers the tenderness of patient minds,
And each slow dusk a drawing-down of blinds.

Auch einhundert Jahre nach der Entstehung dieser beiden Gedichte ist ihre Botschaft nach wie vor aktuell. Möge sie uns als Mahnung dienen und als Appell, uns für den Frieden und die Völkerverständigung einzusetzen!

Rudolf Renz, 1. Vorsitzender des AKS-Geschichtsverein Metzingen

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Lohde, dear Ian, sehr geehrte Damen und Herren,

der Metzinger Karl Rudolph verfasste nach dem Krieg eine Chronik über die Ereignisse in den Jahren 1914-1918. Er berichtet auch über seine Schulzeit in diesen Jahren. Als er acht Jahre alt war, begann der Krieg. Dieser prägte natürlich auch den Schullalltag, Rudolph meint, die Schuljugend, die oft ohne Vater aufwuchs, sei im Krieg in einem gewissen Grade „roh, frech und ehrfurchtslos gewesen“. In den Klassenzimmern seien mit Maikäfern „Luftkämpfe“ ausgetragen worden und Raufereien unter der Schulbank seien als „Unterseebootskrieg“ bezeichnet worden. Als an der Front der Gaskrieg begann, seien kleine „Stinkbomben“ durch das Klassenzimmer geflogen. Die acht- bis zwölfjährigen Buben schienen ihren Spaß zu haben und bekamen doch immer wieder die Nöte und Sorgen des Krieges mit. Familienangehörige starben und die Verwundeten im Lazarett der Schlossstraße blieben ihnen auch nicht verborgen. Sie hungerten wie alle anderen und waren von der Rohstoffknappheit betroffen, Rudolph schreibt: „Längst liefen wir in Papieranzügen oder rauhen Nesselstoffen herum, denn die Front fraß was gut war! (…) In den Lebensmittelgeschäften standen wir stundenlang Schlange, denn ein paar Eier oder einige Gramm Butter wurden dort verteilt. Um ein Viertelpfund Käse zu erhalten, schlug man sich gerne ein halbe Stunde um die Ohren. Wie manches Hausmütterlein, das sich kaum noch auf den Füßen halten konnte, schleppte sich noch in die Stadt, um für den Haushalt noch irgendetwas Essbares aufzutreiben.“ Trotz dieser Erfahrungen war Rudolph später ein glühender Anhänger der Dolchstoßlegende. Das zeigt auch eine von ihm angefertigte Zeichnung in seiner Chronik, die in der Ausstellung zu sehen ist.

Meine Damen und Herren,

der 1. WK, die große Vernichtungsmaschine, gilt als die Mutter des modernen Krieges. Dies machte auch Herr Bidlingmaier in seinem Vortrag deutlich. Der Krieg vernichtete fast eine komplette Generation der Jugend Europas und veränderte die Staatenordnung in Europa von Grund auf. Er vernichtete drei europäische Reiche: Deutschland, Österreich-Ungarn und Russland. Mit dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches zerstörte der WK auch ein viertes Reich am Rande Europas. Bis zu diesem „Großen Krieg“ lag das Zentrum des Gleichgewichts zw. den Weltmächten in Europa. Danach stiegen die USA und Japan zu Weltmächten auf. Der Krieg leitete die Bolschewistische Revolution von 1917 ein, ebnete den Weg zum Faschismus und verstärkte die ideologischen Schlachten, die das 20. Jh. weiter verwüsteten.

In den Jahre 1914 bis 1918 kam es zum ersten Mal zum starren, festgefahrenen Stellungskrieg – für einen Geländegewinn von wenigen Kilometern mussten zehntausende Soldaten ihr Leben lassen. Erstmals wurden in einem Krieg chemische Kampfmittel eingesetzt und dabei der Tod von Hunderttausenden in Kauf genommen. Die Materialschlachten erreichten ungeheure Ausmaße.

Es war ein Grauen ohne Ende. Hoch industrialisierte Staaten versuchten, unter rücksichtslosem Einsatz all ihrer wirtschaftlichen, technologischen und vor allem menschlichen Ressourcen, den Sieg zu erringen. Am Ende kostete dieser erste Welt umspannende Krieg vielen Millionen Soldaten und Zivilisten das Leben, machte unzählige heimatlos und verursachte unermessliches Leid.

Winston Churchill, im ersten Kriegsjahr britischer Marineminister, charakterisierte in seinem nach dem Krieg geschriebenen monumentalen Werk „The World Crisis 1911-1918“ die Kriegsjahre mit den Worten: „Weder Waffenstillstand noch Verhandlungen milderten das Ringen der Armeen. Die Verwundeten krepierten zwischen den feindlichen Linien, die Toten düngten die Äcker (…). Man gab sich jede Mühe, um ganze Nationen durch Hunger zur Unterwerfung zu zwingen. (…) Städte und Kulturdenkmale wurden von Artillerie zusammengeschossen, Bomben wurden wahllos abgeworfen. Giftgas erstickte oder verbrannte die Soldaten, flüssiges Feuer vernichtete ihre Körper (…). Die Größe der Heere war nur durch die Bevölkerungszahl ihrer Länder begrenzt. Europa und große Teile Asiens und Afrikas verwandelten sich in ein einziges wüstes Schlachtfeld, auf dem nach Jahren des Kampfes nicht Armeen, sondern Nationen zerbrachen.“

Meine Damen und Herren, das 20. Jh., das ein britischer Historiker einmal als „Jh. der Extreme“ bezeichnet hat, und unsere Gegenwart stehen immer noch im Schatten dieses Krieges. Das zeigen nicht zuletzt die fürchterlichen Ereignisse in Syrien und im Irak, die auf das Jahr 1916 zurückgehen. Doch das ist ein anderes Kapitel.

Die Ausstellung kann uns nur eine Ahnung von dem damaligen Grauen vermitteln. Doch sie ist ein Anstoß zum Nachdenken und lässt uns dankbar dafür sein, dass heute die Menschen von Hexham, Noyon und Metzingen Freunde sind. Der AKS dankt den Quäkern in Hexham für die Konzeption und Realisierung der Ausstellung. Wir danken sehr, dass sie bereit waren, die Ausstellung auch bei uns zu zeigen. Ian Emmerson hat uns einen kurzen Bericht über die Geschichte und das Anliegen der Quäker geschickt. Sie finden diesen auf der Website des AKS.

Dear Ian, thank you very much indeed for everything you have done. Please express our gratitude and send our kind regards to your friends at Hexham.